Fitness-Apps für Training und Gesundheit, Streaming für Filme und Events, WhatsApp für Kommunikation mit Freunden und Familie. Elektronische Dienstleister sind heute Helfer in vielen Lebenslagen. Kann digitale Technologie auch Konflikte im menschlichen Miteinander lösen?

Eine Studie der University of Southern California ist laut Bericht der FAZ am Sonntag die erste großangelegte experimentelle Analyse des Kommunikationsverhaltens von Paaren außerhalb einer Laborsituation. Dutzende Liebespaare wurden per Handy und elektronischem Armbändchen einen Tag lang überwacht. Jedes gesprochene Wort wurde analysiert, der Tonfall registriert, Puls- und Herzschlag ausgewertet. Daraus entwickelten Psychologen und Softwareingenieure ein Programm, das Konflikte zwischen den Partnern identifizieren kann. Nicht nur das. Die Forscher wollen einen Algorithmus entwickeln, der Konflikte sogar vorhersagt und die Betroffenen warnt, wenn sie selbst noch gar nicht wissen, dass sich ein Konflikt anbahnt. Zu guter Letzt gibt es Tipps zur Lösung des Konfliktes.

Wenn also der Hausfrieden zu kippen droht, weil er Überstunden gemacht hat und zu spät zum verabredeten Abendessen erscheint, sie sich aber trotz Arbeitsstress bemüht hat, pünktlich zu sein und jetzt spitze Kommentare abgibt – dann schlägt die Stunde der App, die beide auf ihrem Handy installiert haben. Textnachricht an ihn: „Versetz dich doch mal in ihre Lage, sie hat stundenlang gewartet und das schon zum fünften Mal in diesem Monat. Geh und nimm sie in den Arm.“ Textnachricht an sie: „Verständlich, dass du wütend bist, aber waren deine Kommentare wirklich hilfreich? Geh und nimm ihn in den Arm.“ Beide lächeln und umarmen sich. Die App als Friedensstifter.

Lässt sich das, was jetzt noch in den Anfängen steckt, bald auf komplexere Konfliktfälle anwenden? Zum Beispiel in Unternehmen bei Streitigkeiten zwischen Mitarbeitern, Führungskräften oder Teams? Dazu müssen Programme entwickelt werden, die riesige Mengen von verbalen und nonverbalen Daten verarbeiten und den Nutzern Tipps zur Deeskalation und Streitlösung geben. Das Programm sagt den Menschen, was sie tun sollen. Es wird zur Autorität. Die Macht von Big Data nimmt zu, Algorithmen bestimmen Beziehungsfragen. Schreckensszenario oder Fortschritt?

Noch und sicher auch künftig werden für komplexe Konfliktlösungen Mediatoren und Mediatorinnen aus Fleisch und Blut gebraucht, die auf persönlicher Vertrauensbasis den Streitparteien die Möglichkeit eröffnen, selbstbestimmt Lösungen zu finden. Jedoch sollten Entwicklung und Einsatz von digitaler Technologie in der Mediation nicht als Spinnerei abgetan werden, sondern zur Diskussion des Für und Wider anregen.

 

Autor: Dietmar Geiler

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Konfliktlösung per Apps – Science Fiction oder Realität?

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